Es hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich und ist eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt: das Kaufhaus des Westens in Berlin. Legendär ist seine Lebensmittelabteilung, die zu den größten der Welt zählt.
Das Kaufhaus des Westens, besser bekannt unter der Abkürzung KaDeWe, hat eine lange, sehr wechselvolle Geschichte hinter sich. 1907 beschloss der jüdische Kaufmann Adolf Jandorf, in Berlin ein riesiges Warenhaus in der damals noch ruhigen Tauentzienstraße zu eröffnen. Dieser Boulevard liegt im Südwesten Berlins und schließt sich an den Kurfürstendamm an. Die Idee Adolf Jandorfs wurde damals belächelt. Ein riesiges Warenhaus in einer Wohngegend – wie soll das funktionieren? Der Kaufmann ließ sich davon aber nicht beeindrucken, erzählt die frühere Geschäftsführerin Petra Fladenhofer:
„Und dann hat Adolf Jandorf diesen legendären Satz gesagt: ‚Was Lage ist, bestimme ich.‘ Das heißt also, er war von seinem Sortiment so überzeugt, dass er gesagt hat, egal wo ich bin, die Leute werden zu mir kommen. Also, er hat von Anfang an diesen Spagat sehr gut hinbekommen, auf der einen Seite natürlich guten Geschmack vielen Menschen zugänglich zu machen, aber auf der anderen Seite immer noch exklusiv zu bleiben. Die Blütezeit unseres Hauses und vieler deutscher Kaufhäuser ist von deutschen Juden betrieben worden. Sie haben hier den Grundstein für die Geschichte, für den Erfolg gelegt.“
Adolf Jandorf war Jude. Juden waren, wie es Petra Fladenhofer formuliert, für viele deutsche Kaufhäuser und deren erfolgreichste Zeit, deren Blütezeit, verantwortlich. Sie haben den Erfolg möglich gemacht, den Grundstein dafür gelegt. Adolf Jandorf war damals sicher, genau die Waren anzubieten, die Kunden interessieren. Er war von seinem Sortiment überzeugt. Kritikern und Zweiflern soll er gesagt haben, dass er bestimmt, wo ein guter Ort zum Einkaufen ist, was Lage ist. Dieser Ausdruck wurde berühmt, legendär. Laut Petra Fladenhofer hat es Adolf Jandorf geschafft, Waren anzubieten, die exklusiv, etwas Besonderes, waren. Und Menschen, die einen guten Geschmack hatten, schöne Dinge schätzten, wurde es ermöglicht, diese an einem einzigen Ort zu kaufen. Sie wurden ihnen zugänglich gemacht. Adolf Jandorf hat es geschafft, diese beiden Punkte miteinander zu vereinbaren, er hat den Spagat hinbekommen. 1927 übernimmt das jüdische Handelsunternehmen Hermann Tietz & Co. das KaDeWe. In dieser Zeit wird die bis heute berühmte Feinkostabteilung fertiggestellt, in der Delikatessen aus aller Welt angeboten werden. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die jüdischen Eigentümer aus dem Konzern gedrängt und mussten ihre Anteile unter Wert verkaufen. Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges eröffnet das KaDeWe als erstes Kaufhaus in Deutschland. An jenem 3. Juli 1950 drängen 180.000 Kaufwillige hinein und kaufen vor allem Fett und Würstchen. Später wird das KaDeWe zum Sinnbild des deutschen Wirtschaftswunders. Einen Einschnitt in der Erfolgsgeschichte erlebt das KaDeWe 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer und der Teilung der Stadt. Die Konsequenz erläutert Petra Fladenhofer:
„Das bedeutete für das KaDeWe ganz ähnlich wie für Berlin, dass man vom Umland abgeschnitten war.“
Für das KaDeWe hatte die Teilung der Stadt zur Folge, dass Kundinnen und Kunden aus dem Ostteil Berlins ausblieben. Und Hunderte von Verkäuferinnen, die dort wohnten, konnten plötzlich nicht mehr zur Arbeit kommen. Der Westteil Berlins war vom Umland abgeschnitten. Doch die Situation des Kaufhauses besserte sich schnell, weil immer mehr Westdeutsche und ausländische Touristen das KaDeWe besuchten. Es gehörte zu den Sehenswürdigkeiten, die man in Berlin gesehen haben musste. Im Laufe der Zeit durften auch Ostberliner und andere DDR-Bürger vor allem bei besonderen Anlässen nach Westberlin. Und auch sie gingen dann in das KaDeWe und in seine Lebensmittel-abteilung. Für DDR-Bürger bedeutete das – wie Professor Uli Brückner vom Berliner Stanford Overseas Studies Center erzählt – ein Erlebnis:
„Da alle Westberliner ihren DDR-Besuch in die Lebensmittelabteilung des KaDeWe geführt haben, waren diese Menschen davon besonders beeindruckt, weil das westdeutsche System ganz praktischLeistungen erbringt, die der Osten nicht kann, nämlich Bananen, Ananas und andere Lebensmittel, die es in der DDR nicht gegeben hat. Weil Opernhäuser, Fernsehtürme und Universitäten hatten sie ja auch auf der anderen Seite der Mauer, nur keine Lebensmittelabteilungen von solchem Reichtum und solcher Vielfalt.“
Wie Uli Brückner erläutert, wurde unter anderem beim Lebensmittelangebot der Unterschied zwischen den beiden politischen Systemen deutlich: Im Westen mit seinem kapitalistischen System gab es Waren, die es im kommunistischen Osten nicht gab, wie Bananen und Ananas. Der Westen konnte – anders als die DDR – praktische Leistungen erbringen – wie es Uli Brückner formuliert. Das beeindruckte DDR-Bürgerinnen und -bürger. In der DDR wurde das KaDeWe und was es dort alles zu kaufen gab zu einem Inbegriff von Luxus. Deswegen wurde es am 10. November 1989, einen Tag nach dem „Fall“ der Mauer und der Öffnung der Grenze, von DDR-Bürgern gestürmt. Petra Fladenhofer erinnert sich:
„Das Haus musste zwischendurch immer wieder geschlossen werden. Man hat teilweise aus den Fenstern heraus verkauft.“
Der Ansturm war so groß, dass aus Sicherheitsgründen zeitweise niemand hineingelassen und Waren nicht an der Ladentheke, sondern aus den Fenstern heraus verkauft wurden. Es folgten wechselvolle Jahre mit neuem Besitzer und neuen Herausforderungen –auch durch das Internet und Onlineshopping. Das KaDeWe reagierte auf die Krise in der Kaufhausbranche, indem es unter anderem das Sortiment der Luxuswaren erweiterte und selbst einen Onlineshop betreibt. Ein großer Vorteil für das Warenhaus ist die Internationalität Berlins. Kein Wunder: Für viele Touristen – ob aus dem In- oder Ausland –steht ein Besuch im KaDeWe auf dem Programm. Das Kaufhaus des Westens ist nach dem Reichstagsgebäude und dem Brandenburger Tor die am dritthäufigsten besuchte Sehenswürdigkeit in Berlin.